Donnerstag, 18. September 2008

Der Sozialkompetenz-Faktor

Wir wissen es, der „Social Skills“-Asset wird genauso gerne als Killerphrase eingesetzt wie die Kommunikationskompetenz. Geht es darum einen missliebigen Kandidaten abzulehnen oder einen Mitarbeiter loszuwerden, dann eignet sich der Hinweis auf den einen oder anderen Mangel höchsteffizient. Denn würde man sich gegen den Bescheid auflehnen, würde man da nicht gerade die Beweisführung liefern, dass man ein Besserwisser ist und damit sich eben sozial nicht einfügen kann?

Angenommen aber, die Sozialkompetenz eines Kandidaten spielt wirklich eine hauptsächliche Rolle für eine Anstellung, so läge der Schluss nahe, dass in unseren Unternehmen nur noch Menschen arbeiten, die über eine hohe Sozialkompetenz verfügen. Dass wäre doch gut so.
Daraus lässt sich dann die Frage ableiten, ob unsere Unternehmen als Summe aller Sozialkompetenzen seiner Mitarbeiter selber ausgeprägt sozialkompetent wären? Müsste das dann nicht das Paradies sein, in einem solchen Unternehmen arbeiten zu dürfen?

Warum ist das ein entscheidender Fragenkomplex? Lässt er sich nicht leicht ad absurdum führen, denkt man zum Beispiel an einen Rüstungskonzern oder an ein Kanalreinigungsinstitut? Muss jede Firma, jede Behörde, jede Organisation wirklich sozialkompetent sein?

Die soziale Kompetenz einer Unternehmung wird in Zukunft zum Schlüssel für den Erfolg. Heute könnte es ein Alleinstellungsmerkmal sein, morgen vielleicht der von allen angestrebte neue ISO-Standard? Nennen wir es hier den Sozialkompetenz-Faktor, um den es im Folgenden gehen soll.

Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie man den Sozialkompetenz-Faktor einer Unternehmung herstellt, welches die Kontrollmittel sind, ihn hochzuhalten und wie man ihn misst. Dass man das kann, beweist gerade die in Mode scheinenden Markenwertstudien. Es entzieht sich meinen Kenntnissen, ob darin die Sozialkompetenz eines Unternehmens mit bewertet wird oder nicht.

Mich interessiert diese Frage aus der Sicht des Verkaufs besonders. Gerne werden Verkäufer ja nach ihrer Abschlussstärke, ihren Beziehungen und bestenfalls nach ihrem Auftreten beurteilt. Ein guter Verkäufer macht ja einen guten Job, egal, was seine Rahmenbedingungen sind und sind sie noch so misslich. Tut er es nicht, hat er absolut keine Überlebenschancen. Es ist entscheidend für ihn, dass er seine Kunden so hinterlässt, dass sie zufrieden sind, kurzfristig jedenfalls. Das ist die Sozialkompetenz des Verkäufers.

Doch nun stehen wir an der Schwelle zu einem komplett neuen Kundenverständnis. Die jüngste Konsumentengeneration wird auf eine Art und Weise sozialisiert, die es auf diese Weise vorher noch nicht gab.
Die Bewusstwerdung des Wertes eines Brandes erfolgt weniger über den Schulhof oder die Umkleidekabine auf dem Fussballplatz, als über MySpace oder Facebook, um nur zwei Adressen zu nennen, die sich bereits über den ganzen Globus erstrecken.
War es vor 10 Jahren unbestritten noch die MTV-Mannschaft, die ansagten was Angesagt war, sind es heute Youtube und andere leicht zugängliche Video-Webseiten, die Übermittler der Botschaften sind. Und es werden immer mehr. Die Segnung hat einen Namen: Web 2.0.

Gehen wir davon aus, dass dieser neue Sozialisierungsprozess über die neuen Medien nun schon fünf, sechs Jahre dauert, dann dürfen wir in den nächsten fünf, sechs Jahren damit rechnen, dass Entscheidungsträger sich bloss noch notgedrungen über die alten Trampelpfade als Kunde gewinnen und halten lassen.

Wir stehen heute an der Schwelle zu der Frage, wie kann ein wenig spektakuläres Unternehmen mit vielleicht selbstverständlich alltäglichen Produkten von diesem neuen Phänomen des „Social Networkings“ profitieren und wie muss es damit umgehen?
Wie sind in Zukunft neue, innovative Produkte zu lancieren, nachdem wir Zeuge wurden, wie die Firma Apple das mit dem iPhone tat? Das iPhone ist vielleicht das erste Produkt überhaupt, das von seinen Konsumenten geschaffen wurde. Lange bevor Steve Jobs im Januar 2007 das Kultprodukt lancierte, das schon ein solches war, bevor es das Licht der Welt erblickte, „arbeiteten“ die Nerds und Freaks in einschlägigen „Social-Portalen“ an diesem letztlich wirklich tollen Gerät ungefragt mit. Jobs und seine Mitarbeiter mussten bloss nachlesen, was da in Foren, Chats und persönlichen Webseiten zusammen geschrieben wurde. Offenbar haben sie sich an die ungefragten Ratschläge gehalten und damit den Grundstein für eine beispiellose Lancierungskampagne gelegt.

Kann man das oder muss man das nun auch mit einer neuen Brotsorte so tun? Oder muss man eine ganze Krankenkasse solange umkrempeln, bis man so eine Art iPhone-Effekt erzielt, den man dann entsprechend abfeiern lassen kann? Ja, man muss.

Apple hat die Blogs und Chats gelesen. Das ist bekannt, denn entgegen der hier jetzt aufgelegten Vermutung hat Apple seine unbestellten Berater wegen Geschäftsgeheimnisverletzungen angeklagt und damit die Produkt-Geschichtsschreibung begonnen, noch ehe das Produkt fertig designt war.

Man kann das jetzt als wenig sozial kompetent auslegen oder man kann nüchtern feststellen, dass es ein Akt sozialer Kompetenz war, mit den Aussenstehenden öffentlich zu streiten. Der Erfolg von heute spricht für die programmatische Arroganz von Apple.

Auch Rivella wusste sich mit dem neuen gelben Rivella originell zu platzieren. Aber im Gegensatz zu Apple läuft jetzt die Promotionskampagne über den Preis. Ein reines Zeichen der Schwäche. Ich kann jetzt behaupten, dass Rivella eben keine Social-Network-Plattform zur Verfügung hatte, um sein neues Produkt gemeinsam mit seiner Community zu entwickeln und deshalb auch keinen nachhaltigen Erfolg haben wird. Ich bin ziemlich sicher, hätte Rivella das getan, das Produkt wäre anders daher gekommen. Und sicher nicht auf einer Toilettenpapier gelben 20-Minuten-Sonderausgabe als reine Anbiederung eines RedBull-gestärkten Publikums.

Ich meine, dass man den Sozialfaktor einer Unternehmung genauso wenig dem Zufall überlassen darf wie jede andere zentrale unternehmerische Frage. Es braucht eine entsprechende Strategie, die sich dann im sozialen Engagement einer Unternehmung ablesen lässt und die dann eine zentrale Rolle spielt auf den zu bauenden und zu unterhaltenden Social Networking Plattformen, handle es sich nun um Brote, Kredite, Autos oder Versicherungen.

Der Sozialfaktor ist allumfassend, hat Konsequenzen auf die Produktequalität, auf die Umweltverantwortung und auf die langfristige Bindung des guten Personals an die Unternehmung und auf den guten Ton in seiner gepflegten Community. Eine solche ist der Schlüssel zum Permission Marketing, das ich als eigentlichen Dialog mit den Kunden begreife.

So gesehen ist die Rolle des Verkäufers, egal in welcher Funktion, ein Schoggijob.

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